Baukasten FMEA im internationalen Kontext

FMEA stellen Inhalte mit einem hohen generischen Anteil der Inhalte dar. Generisch in dem Sinne, dass für Produkte einer Produktfamilie Inhalte teilweise übernommen werden können.

Risiken sind in keinem Fall generisch!

Risiken sind immer spezifisch im Projekt, der konkreten Anwendung und der jeweiligen technischen Detaillösung zu sehen.

Dennoch macht es Sinn, den generischen Anteil nicht immer neu zu entwickeln, sondern vielfach darauf zurückzugreifen.

In diesem Text wird eine mögliche Vorgehensweise und Datenstrategie dargelegt, welche befähigt generische Inhalte zu nutzen und dennoch spezifisch Risiken zu bewerten.

Erfolgsfaktor: Klarheit und Eindeutigkeit der verwendeten Begriffe

1. Planung und Vorbereitung:
Zur Planung und Vorbereitung empfehlen wir die Anwendung von Blockdiagrammen. An erster Stelle sind hier sogenannte Block-Boundary-Diagramme zu verwenden. Diese Diagrammform stellt als „Whitebox“ die innewohnenden Subsysteme eines Analyseobjektes dar. Weiterhing schneidet sie das Analyseobjekt frei: Dies bedeutet, dass die Schnittstellen des Analyseobjektes identifiziert werden. Zusätzlich werden die Schnittstellen kategorisiert (z.B. „austauschbezogen“: Energie, Signale, Stoffe).

In dem oft zitierten Kugelschreiber-Beispiel, würden als innewohnende Komponenten dargestellt:

  • Miene
  • Druckfeder
  • Oberes Kugelschreibergehäuse
  • Unteres Kugelschreibergehäuse
  • Klickmechanik

Es liegt nun auf der Hand, dass für Produktgruppen (ähnliche Kugelschreibtypen) diese Blockdiagramme in erster Näherung generisch entwickelt werden können und als Eingangsgröße für die Planung des Analysevorgangs dienen und andererseits bereits eine erste Strukturanalyse darstellen. Unsere Empfehlung lautet in diesem Sinne das Entwickeln generischer Blockdiagramme zur Unterstützung von Entwicklung und Risikomanagement.

2. Die Systemstrukturanalyse
Die Systemstruktur besteht aus sogenannten Systemelementen. In der Design FMEA können diese sein:

  • Ein ganzes System (z.B. Antriebsstrang)
  • Ein Subsystem (z.B. das Hochvoltsystem)
  • Eine Baugruppe (z.B. das Gehäuse)
  • Ein Bauteil (z.B. ein Dichtring)

Damit ist der erste Katalog schon dargestellt, denn die Namen der oben genannten Systemelemente sind vielfach zu verwenden und leicht zu katalogisieren. Übrigens führt dies auch zu einer vereinheitlichten Sprachregelung über alle Standorte hinweg.

In der Prozess-FMEA sin die Systemelemente:
  • Der Name eines Herstellvorgangs (z.B. Operation: MIG-Schweißen)
  • Die Namen der notwendigen Ressourcen nach den 4M: (1M: Mensch Werker; 2M: Maschine: MIG-Schweißanlage; usw.)

Wie in der Design-FMEA sind die Namen der oben genannten Systemelemente generisch, katalogisierbar und unternehmensweit, global zu vereinheitlichen.

3. Funktionsanalyse
In der D-FMEA werden die Funktionen von:

  • Systemen, (z.B. Antriebsstrang)
  • Subsystemen (z.B. Hochvoltsystem)
  • Baugruppen (z.B. Gehäuse)
  • Bauteilen (z.B. Dichtring)

… beschrieben. Die Funktion eines Antriebsstrangs oder eines Hochvoltsystems ist in der ersten Näherung ebenfalls generisch. Hier bieten sich Funktionskataloge für Produktfamilien an. Da in der Funktionsanalyse Modelle der physikalischen Realität gebaut werden und sich Physik bislang als unveränderbare Grundlage erwiesen hat, selbstverständlich generisch. Soweit Funktionen über Anforderungen spezifiziert werden (z.B. Temperaturbereiche des geplanten Einsatzes), ergeben sich Unterschiede natürlich aus veränderten projektspezifischen Anforderungen. Eigene Anforderungskataloge (ohne Zielwerte) stellen eigene Kataloge dar, welche in einem Datenmodell zu verwenden sind.

Für die Funktionsanalyse in der Prozess-FMEA lässt sich das hier beschriebene Verfahren in gleicher Weise anwenden. Die Funktionsbeschreibung für die MIG-Schweißanlage verfügt beispielsweise über einen hohen generischen Anteil.

4. Fehlfunktionsanalyse
Fehlfunktionen sind mit Expertenwissen negierte Funktionen aus der Funktionsanalyse. Insofern gelten die Arbeitshypothesen aus der Funktionsanalyse für das Entwickeln von Fehlerkatalogen.

5. Risikoanalyse
In der Risikoanalyse werden im ersten Teil die Vermeidungs- und Entdeckungsmaßnahmen dokumentiert. Auch hier empfiehlt es sich generische Kataloge anzulegen, welche die Vermeidungsmaßnahmen von Fehlerursachen in der Produktentwicklung abbilden.

Gleiches gilt für die Prozess FMEA. Hier empfiehlt es sich aber die Kataloge getrennt nach den 4 M (Mensch, Maschine, Material, Mitwelt) aufzubauen bzw. zu katalogisieren.

Der zweite Teil der Risikoanalyse ist die Bewertung der Auftretens- und Entdeckungswahrscheinlichkeiten unter Würdigung der ergriffenen Maßnahmen. Für exakt diese Tätigkeit verbietet sich jeder generische Ansatz! Hier ist das Expertenteam gefordert um unter Einbeziehung des Expertenwissens, der Noise Faktoren und vieler weiterer Variablen eine Risikoabschätzung durchzuführen. Dieser Teil ist also von generischen Katalogen, Datenmodellen, vorbereiteten Formatvorlagen, Kopierfunktionen usw. vollkommen auszuschließen.

In den bisherigen Darlegungen wird die „Stufe1“ einer Mehrfachverwendung von Wissen dargelegt, nämlich das Katalogisieren und Wiederverwenden. In einer Phase 2 können zusätzlich Funktionsnetze und Fehlernetze durch Vernetzungen entwickelt werden. Dadurch entsteht Inhalt für Formblattdarstellungen: Spalten der Funktionsbeschreibung sowie Ursache, Fehler und Folgenbeziehungen sind damit festgelegt und dokumentiert und stehen zur Vielfachverwendung bereit.

Man könnte sagen, Phase 2 ist das tatsächliche Vorbereiten von FMEA auf „Formblattniveau“.

"Supermarktprinzip“ für Blockdiagramm, Kataloge, FMEA-Bausteine

Um ein Baukastenprinzip aufzubauen, kann man nun für die Komponenten unseres beispielhaften Kugelschreibers, Miene, oberes Gehäuse, unteres Gehäuse usw. „vorbereitete“ FMEA anbieten. Je nach Aufbau des Gesamtsystems können diese so „baukastenmäßig“ zusammengefügt werden.

Warnhinweis: Dies gilt nur für den physikalisch, generischen Anteil - in keinem Fall können Risiken kopiertechnisch an andere projektspezifische Analyseobjekte weitergegeben werden. FMEA dürfen in keinem Fall kopiertechnisch entstehen! Physikalische Zusammenhänge, welche in der FMEA abgebildet werden, dürfen selbstverständlich übernommen werden (sofern sich die Physik in der Zwischenzeit nicht verändert hat).

Kommen wir zum globalen Aspekt:
Global operierende Unternehmen definieren häufig Kompetenzcenter für die Entwicklung von Produkten. Diese müssen innovativ sein, andererseits soll zumeist auch auf bewährtes zurückgegriffen werden. Hier bietet sich ein globales, internes Baukastenprinzip an. Zumal die generischen Inhalte der FMEA und der Kataloge sich sehr leicht vielsprachig entwickeln lassen. Die einfache Syntax der Inhalte erleichtert das exakte Übersetzen sehr und zwingt dazu vereinheitlichte Begriffe zu finden.

Die in vielen Unternehmen vorgegebene Strategie durch Modularisierung und verringerten Entwicklungsaufwand Kosteneinsparungen zu erzielen, wird so durch die FMEA optimal unterstützt.

Die beschriebenen Vorgehensweisen stellen einen wichtigen Baustein unserer Beratungsleistung dar – insbesondere bei Global Rollouts. Sollten Sie mehr Informationen hierzu benötigen, wenden Sie sich gerne an uns.